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Beitrag vom 23.07.2014
Jolie Holland - Wine Dark Sea
Julia Lorenz
So vertraut und überraschend, so eingängig und sperrig wie seit nunmehr fünf Alben meldet sich die Globetrotterin aus dem Country-Epizentrum Texas zurück - und dürfte mit ihrem dunkelschönen...
... Neo-Folk nicht nur ihren größten Fan Tom Waits betören.
Joan Baez und Dolly Parton als frühe Idole? Fehlanzeige. Obwohl Jolie Holland bereits als Kind Piano, Violine und später auch die Gitarre für sich entdeckte, erwachte nach eigenen Angaben erst mit neunzehn Jahren ihr Interesse an der Musiktradition ihres Geburtsstaates Texas. Ausgerechnet die Folk-Punk-Songs der britischen Band The Pogues hätten ihre Liebe zur Singer-Songwriter-Tradition begründet, wie sie dem Online-Musikportal laut.de verriet.
Seitdem hat Holland Vieles ausprobiert: Sie schloss sich der KünstlerInnenszene zwischen New Orleans und Austin/Texas an, reiste durch Nordamerika und Kanada, spielte in der Folk-Bluegrass-Band The Be Good Tanyas, ließ sich schließlich in San Francisco nieder und nahm 2003 im Alleingang ihr Debut "Catalpa" auf. Das Independent-Label Anti war entzückt von der Musikerin mit Beatnik-Attitüde - und veröffentlicht seit 2004 Hollands Studioalben.
Was die Texanerin auf ihren Vorgängerplatten begonnen hat, treibt sie mit "Wine Dark Sea" nun zur Perfektion. Stilsicher jagt sie Blues, Country, Folk und Jazz durch ihren charakteristisch dunklen Filter. Im Opener "On And On" entspinnt sich mit warmen, tiefen Percussions eine widerspenstige und dennoch eingängige Rock-Perle, die gespenstisch-schöne Ballade "I Thought It Was The Moon" drängt sich trotz - oder gerade wegen? - ihrer Dissonanzen und Brüche ins Ohr. Doch Holland beherrscht nicht nur die leisen Töne: In Songs wie "All The Love" und dem wunderbar unheilvollen "Dark Days" wird die akustische Gitarre unter Strom gesetzt und durchbricht mal lärmend, mal sphärisch hallend die Singer-Songwriter-Idylle. Auch "Route 30" beginnt als klassischer Country-Song, um sich schließlich in einem furiosen Gitarrensolo zu entladen.
Immer wieder konterkariert ein überraschender Twist die Folk-Harmonien. Hier schleppt der Rhythmus, dort ist der Gesang ein wenig neben der Spur. In "Palm Wine Drunkard" rumpelt der Blues wie sonst nur bei Tom Waits, der sich als großer Jolie-Holland-Fan outete und ihre Wohnzimmerproduktion "Catalpa" kurzerhand für den Shortlist Music Prize nominierte.
Obwohl Holland der amerikanischen Folk-Tradition verpflichtet bleibt, ist ihre Musik mehr als eine Verbeugung vor dem Erbe ihrer VorgängerInnen. Mit ihrem abgründigen, sperrigen Sound eignet sie sich das Genre an, ohne krampfhaft aktuelle Trends bedienen zu wollen. "Wine Dark Sea" klingt, als hätten Chan Marshall alias Cat Power, Soundtüftlerin Soap&Skin und Joni Mitchell in einer Südstaatenbar bei zu viel Gin über ihre verflossene Liebe philosophiert. Hört sich ungewöhnlich an? Ist es auch.
AVIVA-Tipp: Mit ihrer sechsten Platte liefert Jolie Holland ihr bisher reifstes Werk. "Wine Dark Sea" bietet Harmonien und wunderschöne Irritationsmomente, die vor allem LiebhaberInnen des Neo-Folks von Marissa Nadler und Konsorten begeistern dürften.
Zur Künstlerin: Jolie Holland wurde 1975 in Houston/Texas geboren. Bereits mit sechs Jahren schrieb sie ihren ersten Song. 1994 verließ sie das College, um als Musikerin durch Nordamerika zu reisen. Auf ihr selbst produziertes Debutalbum "Catalpa" (2003) folgten die Studioplatten "Escondida" (2004), "Springtime Can Kill You" (2006), "The Living And The Dead" (2008) und "Pint Of Blood" (2011).
Jolie Holland
Wine Dark Sea
Label: Anti/Indigo
VÖ: 20. Mai 2014
Weitere Infos unter www.anti.com
Zur Website der Künstlerin: www.joliehollandmusic.com
Weiterhören auf AVIVA-Berlin:
Springtime Can Kill You von Jolie Holland (2006)
The Living And The Dead von Jolie Holland (2009)
Pint of Blood von Jolie Holland (2011)
Raising Sand von Robert Plant und Alison Krauss (2007)
Little Hells von Marissa Nadler (2009)
To Be Still von Alela Diane (2009)